Die Mountainbike-Vereinbarung in Bayern

München, 5. 10. 2000

Vereinbarung der Bayerischen Staatsregierung mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club Landesverband Bayern (ADFC) e. V., der Deutschen Initiative Mountain Bike e. V. (DIMB), dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) e. V. , dem Deutschen Alpenverein (DAV) e. V., dem Bayerischen Radsport-Verband e.V. und dem Landesverband Bayern der Deutschen Gebirgs- und Wandervereine zum Mountainbiking in Bayern.

Die Bayerische Staatsregierung und nichtstaatliche Organisationen und Verbände haben mit dem Umweltforum Bayern neue Wege zum Schutz von Natur und Umwelt beschritten. Das Umweltforum dient der gegenseitigen Information und Meinungsbildung und soll im Sinne der Agenda 21 die Partnerschaft zwischen Staatsregierung und Verbänden stärken. Mit freiwilligen Vereinbarungen und der Übernahme entsprechender Verantwortung leisten diese Partner ein Beitrag zur Deregulierung und Eigenverantwortung und zur nachhaltigen Entwicklung Bayerns.

Abschnitt I - Vereinbarung zum Mountainbiking

1. Zielsetzung

Ziel dieser Vereinbarung ist es,

- Den Rahmen für die naturverträgliche Ausübung des Mountainbikings in allen Regionen Bayerns zu beschreiben.

- Die Bedingungen für das Mountainbiking in freier Natur darzustellen und so zur Rechtssicherheit für Mountainbiker bei der Ausübung ihrer Freizeitbetätigung beizutragen.

- Mögliche Konflikte zwischen Mountainbikern und anderen Naturnutzern zu minimieren und die Koexistenz zwischen den Freizeitgruppen zu fördern.

2. Das Mountainbiking

Das Mountainbiking gilt heute allgemein als eine Sportart von hohem Gesundheitswert und ist aus der Palette des Freizeitangebotes nicht mehr wegzudenken. Auf Grund seiner Beliebtheit hat sich diese Freizeitbetätigung in vielen Regionen zu einem wichtigen Fremdenverkehrsfaktor entwickelt. Mountainbiking zählt zu den Natursportarten und ist im allgemeinen umweltverträglich, was insbesondere durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen im In- und Ausland bestätigt ist. Mountainbiking wird in unserer gut erschlossenen Kulturlandschaft nahezu ausschließlich auf bereits existierenden Wegen ausgeübt, die für Land- und Forstwirtschaft angelegt wurden. Auf diesen Wegen ist eine Beeinträchtigung des Naturraums nahezu ausgeschlossen.

Mountainbiking ist:

Freizeitbetätigung

Das Mountainbiking ist längst keine Sportart nur für junge Menschen: Es wird heute von Menschen aller Altersgruppen mit mehr oder weniger sportlichem Anspruch ausgeübt. Mountainbiking wird zunehmend auch zum Familiensport, denn vielfach findet man zwei Generationen auf der gemeinsamen Mountainbiketour

Gemeinschaftserlebnis

Mountainbiking wird häufig in Kleingruppen von 3 bis 5 Personen ausgeübt, die ihre Mountainbikertour gemeinsam erleben. Durch die Kleingruppen und die dabei zurückgelegten langen Strecken gibt es in der Regel keine Häufung von Mountainbikern in bestimmten Gebieten, wodurch Belastungsspitzen für die Natur vermieden werden.

Naturerlebnis

Für Mountainbiker steht neben dem sportlichen Aspekt auch das Naturerlebnis im Vordergrund. Für viele bildet diese Verknüpfung den eigentlichen Anreiz, sich in freier Natur zu bewegen. Trotz der im Vergleich zu Fußwanderern höheren Geschwindigkeit erlaubt es auch das Mountainbiking, die Naturschönheiten auf der Tour zu genießen. Insbesondere Jugendliche, die in der Regel leicht über sportliche Betätigung anzusprechen sind, können so an die Natur herangeführt werden.

Gesund

Mountainbiking fördert Gesundheit, Kondition und Koordinationsfähigkeit. Die Vielfalt der Landschaft bietet für Jeden geeignete Touren: von relativ mäßig ansteigenden Wegen guter Beschaffenheit bis hin zu steilen und fahrtechnisch schwierigen Wegen.

Verbundenheit mit dem Erlebnisraum

Für viele Mountainbiker gehört zum Naturerlebnis und dem sportlichen Aspekt auch die Verbundenheit mit dem Erlebnisraum. Sie legen auf ihren Touren abseits der Straßen häufig größere Entfernungen zurück, wählen nicht selten landschaftlich reizvolle und kulturhistorische Ziele und werden so zu Kennern ihrer Heimat.

3. Rechtslage

Beim Radfahren (Mountainbiking) auf Privatwegen in freier Natur ist Art. 23 Abs. 1 des Bayerischen Naturschutzgesetzes zu beachten. Danach ist das Radfahren (Mountainbiking) auf Privatwegen, z. B. land- und forstwirtschaftlichen Wegen, erlaubt, soweit sich diese dazu eignen.

Ungeeignet sind sie u. a. , wenn
- durch die Befahrung mit Fahrrädern (Mountainbikes) eine nachhaltige Beeinträchtigung des Naturraumes nicht auszuschließen ist,
- Wege, die auch häufig von Wanderern benutzt werden, keine ausreichende Breite aufweisen.
Bei ausreichender Breite eines Weges ist eher gewährleistet, dass die Fußgänger (Wanderer) den ihnen nach Art. 23 Absatz 1 Satz 2 BayNatSchG gebührenden Vorrang auch tatsächlich gefahrlos wahrnehmen können. Die jeweils als geeignet anzusehende Breite der Wege richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, z.B. der Häufigkeit der Benutzung durch Fahrradfahrer (Mountainbiker) und Fußgänger (Wanderer), Beschaffenheit, Steigung, Kurven, Übersichtlichkeit. Der weit überwiegende Teil der land- und forstwirtschaftlichen Wege in Bayern erfüllt die rechtlichen Voraussetzungen für das Fahrradfahren und steht damit zur Benutzung frei. Nach Art. 23 Abs. 4 BayNatSchG bleiben die Vorschriften des Straßen– und Wegerechts (für öffentliche Straßen und Wege) sowie des Straßenverkehrsrechts unberührt.
Das Radfahren abseits der Wege ist nicht vom Recht erfasst, nach Art. 22 Abs. 1 und Art. 24 BayNatSchG alle Teile der freien Natur betreten zu dürfen, denn rechtlich gesehen ist das Befahren eine andere Nutzungsform als das Betreten. Nur auf geeigneten Wegen stellt das Bayerische Naturschutzgesetz das Betreten dem Befahren gleich. Das unbefugte Befahren ungeeigneter Wege und das unbefugte Querfeldeinfahren ist von daher verboten, und kann nach Art. 52 Abs. 4 Nr. 2 und 3 BayNatSchG mit Geldbuße belegt werden. Ist das Fahrradfahren auf an sich geeigneten Wegen in der freien Natur in einem Gebiet mit den Belangen des übrigen Erholungsverkehrs unvereinbar oder führt es zur Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes, können die Naturschutzbehörden es gemäß Art 26 BayNatSchG beschränken oder untersagen. Daneben kann das Fahrradfahren durch Schutzverordnungen gemäß Abschnitt III des BayNatSchG (z.B in Naturschutzgebieten) beschränkt werden. Überdurchschnittlicher Verkehr mit Fahrrädern kann auch durch entsprechende Lenkungsmaßnahmen (z. B. Hinweisschilder) beeinflusst werden.

4. Rechtssicherheit für Mountainbiker - Eigenverantwortlichkeit

Die wenigsten Mountainbiker und Wanderer kennen die gesetzlichen Grundlagen für die Ausübung ihrer Freizeitbetätigungen. Nicht zuletzt deswegen kommt es auch immer wieder zur Beeinträchtigung des Naturraumes und zu Konflikten zwischen den beiden Gruppen. Zudem stellt sich bei Unfällen die Haftungsfrage. Es gilt daher, die an sich klare und praxisgerechte Formulierung im Bayerischen Naturschutzgesetz, wonach Fahrrad fahren (und damit Mountainbiking) nur auf geeigneten Wegen stattfinden darf, auch den einzelnen Mountainbikern und Wanderern zu verdeutlichen. Bei der Vielfalt der Erholungsräume in Bayern lassen sich aber keine überall zutreffenden Regeln über die Eignung der Wege aufstellen. Es wird deswegen bei der Beurteilung, ob ein Weg zum Mountainbiking geeignet ist, immer auf die Umstände des Einzelfalles ankommen. Eine Beurteilung wird in der Regel nur dann stattfinden müssen, wenn ein Konfliktfall eingetreten ist, der eine Lösung verlangt. Von daher gilt es Strategien zu entwickeln, die solche Konflikte erst gar nicht entstehen lassen.
Im Sinne der in dieser Vereinbarung angestrebten Deregulierung wird daher davon abgesehen, in Verwaltungsvorschriften eine bestimmte Breite oder Beschaffenheit für die Eignung der Wege festzuschreiben. Die Vertragspartner wollen deswegen
- die Mountainbiker
- die Fachpresse
- Verlage, die Mountainbike-Literatur verbreiten,
über die Rechtslage informieren und damit gleichzeitig an die Eigenverantwortlichkeit der Mountainbiker appellieren, nur die Wege zu benutzen, bei denen durch das Befahren eine Beeinträchtigung der Natur ausgeschlossen ist und auf denen Fußgängern den ihnen gebührenden Vorrang auch eingeräumt werden kann.

5. Leitlinien und Maßnahmen

Strategien zur Konfliktlösung

Zur Vermeidung oder Lösung von Konflikten erklären die unterzeichneten Verbände ihre Bereitschaft, an Mountainbike-Routen-Empfehlungen mitzuarbeiten oder entsprechende Fachkräfte zu vermitteln. Wenn erforderlich, kann deshalb die Ausübung des Mountainbikings in bestimmten Gebieten durch geeignete Maßnahmen gelenkt werden, damit
- die Qualität des Naturraums nicht beeinträchtigt wird und damit der Erhalt schützenswerter Biotope garantiert und mögliche Beeinträchtigungen von Pflanzen- und Tierarten vermieden werden.
- in Einzelfällen die Entflechtung möglicher Nutzungskonflikte zwischen Mountainbikern und anderen Naturnutzern erreicht wird.

Mediation

Zur Lösung oder Vermeidung von Naturschutzkonflikten werden die zuständigen bayerischen Behörden die MTB-Verbände bei der in Einzelfällen erforderlichen Lenkung des Mountainbikings rechtzeitig beteiligen. Eine Beteiligung bzw. Anhörung findet statt, bevor durch den Freistaat Bayern nach Art. 26 oder Abschnitt III BayNatSchG eine Einschränkung oder ein Wegeverbot für Mountainbiker – generell oder in einzelnen Gebieten - erwogen wird.
Bei Nutzungskonflikten zwischen dem Mountainbiking und anderen Natursportarten werden die für den entsprechenden Naturraum zuständigen bayerischen Behörden nach Möglichkeit vermittelnd tätig.

Information und Schulung der Mitglieder

Die Verbände informieren ihre Mitglieder über natur- und umweltverträgliches Handeln, versuchen das notwendige Wissen zu vermitteln und ihnen zweckdienliche Verhaltensweisen nahezubringen, damit sie die Natur ökologisch verträglich genießen können. Sie halten ihre Mitglieder an, die zwischen ihnen und der Bayerischen Staatsregierung getroffene Vereinbarung zum Mountainbiking zu beachten.

Die Verbände halten ihre Mitglieder an, nur auf solchen Wegen Mountainbike zu fahren, die den Vorschriften des Bayerischen Naturschutzgesetzes entsprechen. Sie unterstützen keine Bestrebungen, welche die Mitnahme von Mountainbikes in Bergbahnen und Aufstiegshilfen zum Ziele haben, es sei denn, die Mitnahme dient der Lösung von Konflikten oder ist ökologisch sinnvoll.

Die Verbände halten ihre Mitglieder an, die zwischen ihnen getroffene Vereinbarung zur Koexistenz auf den gemeinsam genutzten Wegen (Abschnitt II) zu beachten.

6. Mountainbike-Routen

Durch die Empfehlung von Mountainbike-Routen und deren Anbindung an den ÖPNV sowie vorhandene Fahrradwege kann ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der ökologischen Wertigkeit der Landschaft und der Förderung der Erholungsmöglichkeiten im Freistaat geleistet werden und damit der Verlagerung des Mountainbikings in ökologisch sensible Gebiete entgegengewirkt werden. Die in der Bayerischen Fachkommission Mountainbike zusammengeschlossenen Verbände erklären ihre Bereitschaft, örtliche Initiativen bei dem Vorhaben, MTB-Routen-Empfehlungen auszuarbeiten, logistisch zu unterstützen. Diese Routenempfehlungen können dann z. B. über die Fachpresse, Fremdenverkehrsverbände oder Beherbergungsbetrtiebe verbreitet werden. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass die benutzten Straßen und Wege in der Regel für die Land- und Forstwirtschaft oder die Wasserwirtschaft angelegt wurden, auch der Jagd und Fischerei dienen und die betriebliche Zweckbestimmung dieser Wege zu beachten ist. Mountainbiker sollten sich deshalb nicht zuletzt aus Gründen der Eigensicherung in ihrer Fahrweise darauf einstellen.

Abschnitt II - Vereinbarung zur Koexistenz auf den gemeinsam genutzten Wegen

Miteinander statt gegeneinander – gemeinsam für die Natur

Wanderer und Mountainbiker haben die gleichen Wurzeln: Sie lieben die Berge und die Natur. Viele Naturfreunde sind mit Wanderstiefel und Mountainbike unterwegs. Trotzdem gibt es immer wieder Konflikte zwischen den beiden Freizeitgruppen. Der Raum für die Freizeitbeschäftigung in der Natur lässt sich nicht beliebig ausdehnen, währenddessen die Zahl der „Naturnutzer“ ständig zunimmt. Die Verbände setzen sich deshalb für einen fairen Umgang zwischen Mountainbikern und Wanderern in allen Regionen Bayerns ein. Als Vertretung der beiden Freizeitgruppen sind sich die Verbände ihrer Verantwortung für Umwelt und Natur bewusst. Sie wollen mit dieser Initiative bei ihren Mitgliedern für mehr Akzeptanz der jeweilig anderen Freizeitbetätigung werben und damit den Anstoß für faires Verhalten untereinander geben. Die in der Initiative vertretenen Verbände vereinbaren weiter, über Presse und durch Veranstaltungen für ein besseres Verständnis untereinander und für einen schonenden Umgang mit der Natur zu sorgen.

1. Fair miteinander umgehen

Freundlichkeit und gegenseitige Rücksichtnahme sind Voraussetzungen für den richtigen Umgang miteinander. Selbstverständlich halten sich alle an gesetzliche Vorschriften und an die vor Ort gültigen Regelungen. Auch die Ansprüche der einheimischen Bevölkerung werden von Mountainbikern und Wanderern respektiert.

2. Dem Schwächeren Vortritt lassen

Am Berg gilt das Vorrecht des Schwächeren. Mountainbiker fahren immer mit angemessener Geschwindigkeit und in ausreichendem Abstand an Wanderern, Hunden und Mitradlern vorbei. Wo sich Kinder auf den Wegen befinden, gilt immer Schritttempo!

3. Zeichen geben

Freundliche Deutlichkeit hilft Unfälle und Konflikte zu vermeiden. Wanderer und Mountainbiker nehmen am besten Blickkontakt auf und verständigen sich durch Zeichen. Nähert sich ein Mountainbiker einem Fußgänger von hinten, macht er durch einen freundlichen Gruß auf sich aufmerksam. Mountainbiker fahren erst vorbei, wenn der Wanderer zu verstehen gibt, dass er auf den Überholvorgang gefasst ist. Wanderer machen solchen Mountainbikern gerne Platz zur Vorbeifahrt.